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Afrikas demografische Zeitbombe

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Für Afrika wird eine rasante Zunahme der Bevölkerung von derzeit 1,4 Milliarden auf 2,5 Milliarden im Jahr 2050 erwartet. Bis 2100 sei dann ein Anstieg auf 4,7 Milliarden Afrikaner zu erwarten, so die mittlere UN-Prognose. Das extreme Bevölkerungswachstum steht der wirtschaftlichen Entwicklung im Wege.

Musa Hasahya Kasera hat es inzwischen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Der ugandische Bauer wurde in der BBC, in Al Jazeera und anderen Medien porträtiert, weil sein Kinderreichtum selbst für afrikanische Verhältnisse ungewöhnlich ist. Mit zwölf Ehefrauen hat er 102 Kinder und schon 568 Enkel, so seine eigene Zählung. Die Namen all seiner Söhne und Töchter kann er sich schon längst nicht mehr alle merken. Das ist nicht das einzige Problem.

„Ich habe viele Probleme, das Geld für die Schule auftreiben, genug Essen für alle beschaffen, Kleidung und Geld, falls mal jemand krank ist“, sagt Kasera, der im Butaleja-Bezirk in Ost-Uganda nur zwei Morgen Land besitzt. Der karge Acker reicht nicht, um eine solche Riesenfamilie zu ernähren, die inzwischen ein eigenes Dorf bevölkert. Trotzdem hat Kasera immer weitere Frauen genommen. In Uganda ist Polygamie weiterhin legal. Seine Frauen müssten jetzt aber mit Geburtenkontrolle anfangen. „Genug ist genug“, sagte der 68-Jährige gegenüber der englischen Zeitung „The Mirror“. Weitere Kinder könne er sich nicht leisten.

Der Fall des afrikanischen Bauern, obwohl extrem, weist auf Probleme hin, die den ganzen Kontinent plagen. Zugespitzt kann man sagen, dass Afrika in einem demografisch-ökonomischen Teufelskreis feststeckt.

Hier weiterlesen: Sonntagsökonom in der FAS.

Erinnerungen an Benedikt XVI.

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Ein beeindruckendes Leben geht zu Ende. Zweimal durfte ich ihn direkt erleben. Joseph Ratzinger hat vielen Menschen Orientierung gegeben in einer Zeit der Beliebigkeit der Werte. Dafür gebührt ihm Dank.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist sehr krank, teilt sein Nachfolger Franziskus bei der Generalaudienz mit. Wir sollen für Benedikt beten. Sein Zustand verschlechtert sich offenbar. Die Nachricht macht traurig. Natürlich ist es unvermeidlich, dass ein 95-Jähriger irgendwann stirbt; dass ein so langes, erfülltes Leben einmal zu Ende geht. Aber der Abschied von Benedikt wird schwerfallen. Und mit ihm scheint auch die Ära des christlichen Europas auszulaufen.

Joseph Ratzinger, geboren 1927 in Marktl am Inn als Sohn eines Dorfgendarmen, gegen seinen Willen in die Hitlerjugend eingezogen, bei Kriegsende noch als Flakhelfer eingesetzt, nach einem Blitzstudium schon mit 31 Jahren Theologieprofessor, als persönlich bescheidener, fachlich herausragender Theologe bekannt, der 1977 Erzbischof von München-Freising, 1982 Chef der Glaubenskongregation wurde und von 2005 bis 2013 erster deutscher Papst seit Menschengedenken, war für viele eine Reizfigur, für manche Linke und Linksliberale gar eine Hassfigur. Schon als Münchner Erzbischof und dann als langjähriger Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, der eine kirchlich-konservative Linie vertrat, hatte er sich viel Feinde gemacht, gerade auch in den deutschen Medien. „Hardliner“ und „Reaktionär“ lauteten die üblichen Etiketten. Ratzinger ging gegen die marxistisch angehauchte sozialistische „Befreiungstheologie“ in Lateinamerika vor. Als „Gottes Rottweiler“ haben ihn manche Gegner dafür bezeichnet.

Man konnte die Schnappatmung in vielen Redaktionsstuben förmlich spüren, als er im April 2005, vier Monate nach dem Tod von Johannes Paul II., überraschend zum Nachfolger seines Freundes Carol Wojtylas gewählt wurde. Die legendäre „Bild“-Schlagzeile „Wir sind Papst“ traf den Stolz eines Großteils der Bevölkerung über diese Wahl, doch in intellektuellen Kreisen kräuselten viele angewidert die Stirn. Ich erinnere mich noch an einen hämischen Kommentar im SZ-Feuilleton aus der Feder von Timothy Garton Ash aus Oxford, der sich am Papstnamen „Benedikt“ aufhängte: Mit Benedikt (von Nursia) habe das Christentum in Europa angefangen, mit dem neuen Benedikt werde es enden, prophezeite er höhnisch. Unausweichlich sei die weitere, beschleunigte Säkularisierung und Abwendung von der Kirche. Dass der Papst auch viel Begeisterung gerade im einfachen deutschen Kirchenvolk hervorrief, übersah man gerne. Ich habe Benedikt zweimal live gesehen, jedes Mal hat er mich beeindruckt.

Im September 2006 bereiste Benedikt seine bayerische Heimat auf einer umjubelten Pilgerreise und predigte vor Hunderttausenden Gläubigen in München, Regensburg, Altötting und Freising. Ich war damals 27 Jahre alt, schrieb die letzten Seiten meiner Dissertation. Mit der Kirche hatte ich in meiner Jugend gar nichts am Hut. Als 18-Jähriger war ich aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Aber danach begann eine Suche. Eine Welt, in der es gar keine Kirche als ethisch-moralische Instanz gebe, konnte ich mir nicht vorstellen. Meine Suche führte mich, unterstützt durch Freunde in Österreich (ich denke an die beiden Alberts, an eine Wandertour vom Wienerwald bis nach Mariazell), schließlich zur katholischen Kirche. Die Schönheit der Riten und der Liturgie, der Gebete, der Musik hat mich ergriffen. Münchens älteste Pfarrkirche, die barocke Kirche St. Peter am Rindermarkt, wurde ein sonntäglicher Anlaufpunkt für mich als Student.

Die Zeit meiner Konversion war Benedikts Amtszeit. Seine „Einführung in das Christentum“, entstanden in seiner Tübinger Zeit, und die beiden Jesus-Bände habe ich gekauft (muss aber zugeben, dass ich sie nicht komplett gelesen haben – jetzt wäre eigentlich eine gute Gelegenheit dazu). Benedikt hat sich gegen die Tendenz zur totalen Relativierung von Werten gestemmt, die heute vorherrscht.

Natürlich wollte ich den Papst unbedingt sehen, als er im September 2006 nach Bayern kam. Ich radelte von Schwabing zum Messegeländer Riem. Etwa eine Viertel Million Menschen haben im strahlenden Sonnenschein den Gottesdienst mit Benedikt gefeiert. Ich erinnere mich, dass es ein heißer Spätsommertag war, die Sonne brannte, viele Leute japsten nach Mineralwasser. Benedikt stand unter einem weißen, segelartigen Zeltdach; hinter ihm ein romanisches Kruzifix, mehr als tausend Jahre alt. Seine Stimme klang klar, etwas vergeistigt. Der Besuch des deutschen Papstes in meiner Heimatstadt bleibt für mich ein unvergessliches Ereignis.

Zwei Jahre später war ich zu einer Reise in den Vatikan eingeladen, zusammen mit einer kleinen Gruppe Journalisten und Publizisten. Wir schliefen in einem einfachen Heim für Ordensleute, das wie eine Jugendherberge wirkte, an der Via delle Fornaci. Am Sonntag besuchten wir eine Messe im Petersdom, die mit Dutzenden Bischöfen aus dem Nahen Osten und dem ganzen Orient gefeiert wurde, die zu einer Synode nach Rom gekommen waren. Es war phantastisch und faszinierend, christliche Lieder und Gebete in Lateinisch, Griechisch, Aramäisch und arabischen Sprachen zu hören. Die Kirche als globale, universelle Institution wurde greifbar. Benedikt predigte, seine Stimme klang aber schwächer, gebrochen. Am nächsten Vormittag trafen wir auch seinen Sekretär Georg Gänswein, der einen sehr sympathischen und klugen Eindruck machte. Abends aßen wir in der Residenza Paolo VI., einem feinen Hotel direkt an Berninis Kolonaden, und tranken einen Cocktail auf der Terrasse, von der man den schönsten Blick auf den Petersdom hat.

Die geheimnisvolle Aura dieser von Geschichte, Kultur und Religion getränkten und verzauberten Stadt lässt kaum jemanden kalt. Zweitausend Jahre lang hat die Kirche Europa geprägt. Die christlichen Werte: Menschenwürde, begründet mit der Gottesebenbildlichkeit, Nächstenliebe und Sorge für die Schwächeren, sowie die Freiheit, die Gott den Menschen gegeben hat, mit dem Auftrag, dass wir verantwortungsvoll leben. Wer beim Stichwort Kirche nur an Inquisition, Unterdrückung, Bevormundung und Dogmatismus denkt, der verkennt völlig das überwiegend Gute, das Europa und die westliche Welt dem Christentum verdankt. Es ist kein Zufall, dass es in der islamischen Welt diese freiheitliche Auffassung vom selbstbestimmten Individuum wie im Westen eben nicht gibt.

Benedikt war ein Intellektueller auf dem Papstthron, dessen Denken um die Verbindung von Glauben und Vernunft kreiste. Er scheute auch vor unbequemen Themen nicht zurück; weder in der Auseinandersetzung mit der ideologisch verqueren Befreiungstheologie noch mit dem Islam war er ein Leisetreter. 2015 hat er ganz überraschend aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt vom Stuhl Petri verkündet. Sein Nachfolger Franziskus aus Argentinien hat mich nicht so überzeugt. Sicherlich ein menschlich sympathischer Typ, aber man hörte von ihm zu viele unreflektierte, unausgegorene Äußerungen. Franziskus ist leider vom Peronismus seines Heimatlandes geprägt, durch diese Brille betrachtet er die Welt. Auch außenpolitisch irrlichtert er.

Trotzdem zieht Franziskus bei weitem nicht so viel scharfe Kritik in Deutschland auf sich wie Benedikt. Als Benedikt 2011 eine Rede im Bundestag hielt, boykottierten rund hundert Abgeordnete von Linken, Grünen und SPD den Auftritt. Ihnen entging eine gehaltvolle Rede über Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Wie in vielen Predigten kritisierte er die zunehmende Glaubensferne und Geringschätzung der Religion zugunsten des rein rationalen Denkens im Sinne der Naturwissenschaft. Natur und Schöpfung dürften aber nicht nur nach funktionalen Gesichtspunkten gesehen werden. Am Ende waren sogar die Grünen ganz angetan von dem Auftritt.

Der tiefsitzende Hass gegen Benedikt hat ihn aber weiter verfolgt. Als dieses Jahr ein Gutachten über Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchstätern in der Erzdiözese München-Freising in seiner Bischofszeit vorgelegt wurde und Benedikt, immerhin fast 95 Jahre alt, zu den schon vier Jahrzehnte zurückliegenden Vorgängen über eine Sitzung eine falsche Aussage machte, geiferten manche Journalisten tagelang ob seiner „Lüge“. Die Möglichkeit, dass ihn die Erinnerung getrogen hatte, mildernde Umstände angesichts seines Alters ließen sie nicht gelten. Endlich gab es nochmal eine Gelegenheit, den greisen Benedikt medial zu kreuzigen.

In der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums gab es große Päpste und verruchte Gestalten auf Petris Stuhl. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat Johannes Paul II. geschichtlich eine herausragende Rolle gespielt, weil er der freien Welt half, den Kalten Krieg zu gewinnen. Auch Ratzinger zählt für mich zu den Großen. Den Großtrend der Säkularisierung konnte er nicht aufhalten. Das Christentum, das die westliche Welt geprägt hat, erscheint jetzt in Europa immer mehr auf dem absteigenden Ast. Die Zahl der Austritte aus der Kirche nimmt zu. Zwar wächst die Zahl der Christen in anderen Erdteilen, doch die etablierten Kirchen – die katholische wie auch die verschiedenen protestantischen – verlieren an Boden, am stärksten in Europa.

Christliche Traditionen, die zentralen Glaubensinhalte werden kaum noch an die jüngeren Generationen weitergegeben, der Faden ist in vielen Familien gerissen. In einer hedonistischen, selbstbezogenen, vermeintlich total-aufgeklärten Zeit verdunstet der Glaube. Kirchliche Riten sind vielen fremd. Hat Timothy Garton Ash recht behalten? Scheinbar ja, aber in einem tieferen Sinne doch nicht.

Der Boden Europas ist und bleibt christlich getränkt. Selbst in einer immer stärker säkularisierten Welt bleiben christliche Werte zentral. Tom Holland schreibt in seinem wunderbaren Buch „Dominion“: „Obwohl die Kirchenbänke leer sind, ist der Westen nach wie vor fest in seiner christlichen Vergangenheit verankert.“ Die Kirche ist nicht mehr Volkskirche, sondern wird wieder Minderheitenkirche sein, wie in der Anfangszeit des Christentums. Darin kann auch eine Chance liegen. Die Kirchen sollten den vergeblichen Versuch aufgeben, dem Zeitgeist hinterherzurennen, und könnten sich bewusst für eine „Benedikt Option“ entscheiden, wie das Rod Dreher nennt: Kleine Gemeinden, die aber den Glauben freudig und authentisch leben, nicht eine verwässerte Version. Wenn Benedikt die Augen für immer schließt, dann wird dieser tiefgläubige, kluge Mensch es nicht verbittert, sondern in der Hoffnung tun, dass die Kirche in Europa eine Zukunft hat.

Was bringt der Woke-Kapitalismus?

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Ein Teil der Mitarbeiter wird von den links-progressiven Botschaften abgeschreckt und demotiviert. Auch viele Kunden sind genervt.

Es ist ein immer recht junges Phänomen, dass große Unternehmen, angeführt von US-Konzernen, sich plötzlich besonders sozialpolitisch progressiv geben, als Vorkämpfer von Gerechtigkeit, Gleichheit und Minderheiten. Der „New York Times“-Kolumnist Ross Douthat hat dafür den Begriff „Woke Capitalism“ geprägt: aufgeweckter Kapitalismus. Viele Unternehmen reiten scheinbar auf den Wellen eines Zeitgeistes, den man früher eher auf der politischen Linken vermutete; sie können gar nicht genug Regenbogen- und andere Signale progressiver Gesinnung senden.

Der Woke-Kapitalismus hat das alte knochentrockene Diktum von Milton Friedman ersetzt, der meinte, die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen sei es, Gewinne zu machen. Heute geben sich die Unternehmen nicht nur „Shareholdern“ (Aktionären), sondern den „Stakeholdern“ verpflichtet. Sie listen auf, welche Anstrengungen sie machen, um „ESG“-Ziele zu erreichen (Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung). Allerdings ist dieser neue Ansatz, dass Manager nach außen progressive, soziale und ökologische Haltung vertreten, nicht unumstritten.
(Weiter hier. “Sonntagsökonom” in der FAS)

Angela Merkel – ein katastrophales Erbe

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Zu Abschied nach 16 Jahren im Kanzleramt haben Merkels Hofsänger nochmal ihr Loblied angestimmt.

Nur drei Monate nach ihrem Abtritt fällt uns ihr Erbe bleischwer auf die Füße. Ihre Energiepolitik hat uns in eine fatale Abhängigkeit von russischem Gas gebracht, wie wir nun bitter erkennen und nur unter enormen Kosten revidieren können. Die jahrzehntelange Vernachlässigung der Bundeswehr hat die deutsche Verteidigungsfähigkeit ruiniert und Deutschland zu einem unsicheren Bündnispartner gemacht. Und auch die Langzeitfolgen der Migrationskrise 2015/16 sind weiterhin zu spüren. Damals saß Merkel auf dem hohen moralischen Ross, die migrationskritischen Osteuropäer wurden runtergemacht. Beim Zustrom der ukrainischen Flüchtlinge vor dem Krieg sehen wir jetzt, wie Osteuropa in einer echten Flüchtlingskrise vorbildlich hilft, während aus Deutschland zu wenig Unterstützung für die Ukraine kommt. Angela Merkel hat in wichtigen Fragen Schaden vom deutschen Volk NICHT abgewandt.

Auf Einladung der Zeitschrift “The Quadrant” habe ich einen Vortrag, den ich in Budapest hielt, publiziert (siehe hier). Dazu noch ein Interview, das ich der ungarischen Zeitschrift “Mandiner” gegeben habe (hier).

Boris Johnson: Die Party ist vorbei

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Für den britischen Premier Boris Johnson wird die Luft immer dünner nach den Enthüllungen über „Lockdown-Partys“ in der Downing Street.

Boris Johnson erschien lange Zeit als Ausnahmepolitiker, der sich immer wieder aufrappeln konnte. Er glich einer Katze, die angeblich sieben Leben besitzt. Affären und Skandale, über die andere gestürzt wären, hat er auf mirakulöse Weise politisch überlebt. Nun aber könnte die Affäre um die „Lockdown-Partys“ sein Ende als Regierungschef einleiten. (Gastbeitrag in Die Tagespost. Weiter hier.)

Sozialismus – die gescheiterte Idee, die niemals stirbt

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Warum bleibt “Sozialismus” für viele Intellektuelle auch nach dem empirisch erwiesenen Scheitern in zwei Dutzend sozialistischen Regimen immer noch attraktiv? Wie immunisieren sich die Sozialismus-Freunde gegen Einwände? Wie haben prominente Linke sozialistische Mörderregime verharmlost und verklärt? Diesen Fragen geht Kristian Niemietz in seinem Buch “Sozialismus. Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt” nach. Ich habe für die Hanns-Seidel-Stiftung eine Rezension geschrieben. Hier zu lesen.