Die Kanzlerkandidatin der Grünen will hoch hinaus – doch sie ist mehr Schein als Sein
Annalena Baerbock ist die erste Kanzlerkandidatin der Grünen in der gut vierzigjährigen Geschichte der Partei. Nach ihrer Nominierung im April entfachten viele Medien, allen voran der grünlinke öffentlich-rechtliche Rundfunk, ein Feuerwerk der Begeisterung für die vermeintlich hochkompetente Grünen-Kanzleraspirantin. Die Umfragewerte schossen in die Höhe.
Ich habe Zweifel, ob Baerbock wirklich hochkompetent ist. Sie hat schon zu viele „Böcke geschossen“, als dass man sie fachlich für wirklich sattelfest halten darf. Wir müssen nicht nur an das immer wieder gezeigte Video denken, als sie über die Rohstoffe, insbesondere „Kobold“ für die Elektroautobatterie referierte, oder dass sie ernsthaft glaubt, man könne größere Mengen Strom „im Netz“ speichern oder dass „jeder Deutsche im Schnitt 9 Gigatonnen“ (9 Milliarden Tonnen) CO2-Ausstoß pro Jahr habe (da lag sie um neun Nullen zu viel daneben). Als Mutter der Sozialen Marktwirtschaft, die sie in den 1960ern beginnen lässt, verortete Baerbock die SPD, nicht Ludwig Erhard. Sie hat offenbar nicht allzu viel Ahnung von der Geschichte der Bundesrepublik.
Immer wieder fällt sie mit Wissenslücken, Halbwissen, forsch vorgetragenen Irrtümern und Versprechern auf.
Annalena Baerbock hat in ihrem noch jungen Leben eine steile Karriere gemacht, aber vor allem in und mit der grünen Partei und in der Politik: Nach dem Studienabschluss an der LSE und der vierjährigen Arbeit in einem Abgeordnetenbüro schaffte sie schon mit Anfang 30 den Sprung in den Bundestag 2013. Sie hat sich seit ihrem Studium eigentlich nur in Partei- und Parlaments-Zirkeln bewegt. Ansonsten hat sie fast keine berufliche Erfahrung zu bieten. Sie hat nie außerhalb der Partei gearbeitet, sieht man mal von drei Jahren freie journalistische Mitarbeit für die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ ab. Und entscheidend ist: Sie hat noch nie eine größere Abteilung oder gar ein Ministerium geleitet.
Das ist ziemlich wenig Erfahrung für jemanden, der sich ernsthaft darum bewirbt, Kanzlerin von 82 Millionen Menschen in Deutschland zu werden. Die großsprecherische Behauptung, sie sei „Völkerrechtlerin“, weil sie ein Jahr an der LSE International Law studiert hat, ist vielen gestandenen Juristen schon übel aufgestoßen. „Wenn Baerbock glaubt, dass zwei Semester 2004/05 an der London School of Economics and Political Science genügen, um sich als Völkerrechtlerin ausgeben zu können, so zeugt das von blinder Ignoranz und Abgehobenheit“, findet etwa Prof. Gerd Seidel (Humboldt Universität).
Offenbar aus dem Drang heraus, ihren Lebenslauf wichtiger erscheinen zu lassen, als er ist, hatte sie ihn mit allerlei groß-tönenden Namen von Organisationen geschmückt. Sie sei „Mitglied“ beim UNHCR, hieß es in ihrem offiziell verbreiteten Lebenslauf auf ihrer Homepage. Dem Blogger Hadmut Danisch fiel auf, dass diese Angabe im Juni plötzlich verschwunden war. Das hat meine Neugierde geweckt. Natürlich ist es ziemlich lächerlich, wenn jemand, der sich als „Völkerrechtlerin“ bezeichnet, mit einer „Mitgliedschaft“ beim UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) angibt. Das ist eine UN-Behörde, bei der keine Privatperson Mitglied werden kann.
Diesen offensichtlich frisierten und aufgehübschten Lebenslauf habe ich mir vergangene Woche noch genauer angeschaut und weitere Ungereimtheiten entdeckt, namentlich eine Mitgliedschaft beim German Marshall Fund, die gelogen war, denn Baerbock war nur eine (von insgesamt mehr als 4000) Teilnehmern des Marshall Memorial Fellowship Programms. Falsch war auch die Angabe im Lebenslauf, sie sei Mitglied des „Europa/Transatlantik-Beirats“ der Böll-Stiftung. Da ist sie schon länger ausgeschieden.
In der Summe ergibt sich das Bild einer jungen Frau, die mit hochstaplerischen Angaben im CV Eindruck schinden will. Nachdem ich das auf Twitter recht deutlich angeprangert hatte, versuchte das Team Baerbock am Freitagabend plötzlich hektisch den Lebenslauf zu bereinigen und umzuschreiben. Das hat es letztlich nur noch schlimmer gemacht. Am Wochenende rollte eine große Welle der Berichterstattung über die aufgedeckten falschen Angaben, angefangen von der „Bild“-Zeitung („Drei neue Fehler? Neuer Bluff im Baerbock-Lebenslauf“) über Focus, NZZ, Welt, dpa, FAZ bis zu vielen Regionalzeitungen. Das amerikanische Magazin Politico titelte: „German Greens leader Baerbock under fire for resumé inflation“.
Die ganze kritische Berichterstattung hat den Grünen das Wochenende vor der Sachsen-Anhalt-Wahl verdorben. Ihre Versuche, kritische Recherchen als „frauenfeindlich“ oder „Hetze“ abzutun, schlugen fehl. Sogar die sicherlich grünen-nahe „taz“ befand eindeutig, dass Baerbock allein schuld ist. „Hochgradig unprofessionell“ lautete das harte Urteil der „taz“. Wer Kanzlerin werden möchte, muss sich auf harte Recherchen zu seinem Leben und seinem Programm gefasst machen. Da offenbart Baerbock wunde Punkte.
Am Ende dieses Wochenendes stehen für die Grünen nur knapp 6 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Das ist wahrlich nicht viel für eine Partei, die Kanzler*in werden will.
Nachtrag, 8. Juni:
Vier Tage nach den Enthüllungen (zu denen noch mehr gekommen sind, etwa ein zur “wissenschaftlichen Mitarbeit” aufgeblasenes Praktikum bei einem britischen Institut, dessen Namen sie noch dazu völlig falsch geschrieben hat) äußert sich Annalena Baerbock erstmals zu ihrem mehrfach korrigierten Lebenslauf. “Das war Mist”, sagte sie der dpa.
Noch ein Nachtrag: Oben schrieb ich von “drei Jahren freie Mitarbeit” bei der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”, angeblich war das 2000 bis 2003. Da habe ich inzwischen große Zweifel. Auf Nachfrage konnte die HAZ im digitalen Archiv gerade mal eine Handvoll Artikel von Annalena Baerbock ausfindig machen aus Jahren 2000 und 2002. Die ersten zwei Texte wurden im Rahmen von “ZiSH” (Zeitung in der Schule) erstellt, ein Schülerprojekt. Auch hier scheint es, dass AB ihre Zeit und Leistungen als “freie Journalistin” aufgebauscht hat.
Nachtrag, 10. Juni: Die Umfragewerte stürzen ab. Seit Mai ist die Zahl der Befragten, die mit ihrer Leistung sehr zufrieden oder zufrieden sind, um 15 Prozentpunkte gesunken – auf nun 26 Prozent, so das Ergebnis des neuesten Deutschlandstrends.